Grußwort im November
Liebe Schwestern und Brüder,
„mit den Kirchenchören ist nun endlich Schluss. Die singen eh nicht mehr schön, die sind überaltert und denen fehlen die Mitglieder. Mit den Kirchenchören ist nun endlich Schluss.“ Mit diesen Worten brachte mich während meiner Kaplanszeit ein Gemeindemitglied gegen sich auf. Solch ein vernichtendes Urteil konnte ich nicht unkommentiert stehen lassen. Wissen sie eigentliche, wie wertvoll die Kirchenchöre sind?, entgegnete ich, schon wissend, dass sie es nicht wusste.
Kirchenchöre sind etwas Wunderbares. Sie sind einmalig, ein Kulturgut und ein eigener Ort von Kirche. In unseren Chören treffen sich regelmäßig Menschen um miteinander zu singen, aber auch um davor oder danach das ein oder andere Wort zu wechseln, um nicht allein zu sein, oder dem gewohnten Alltagstrott mal für ein Stündchen oder zwei zu entfliehen. Es treffen sich dort Menschen die jünger oder älter sind, die geeint sind aus Liebe zur Kirchenmusik, zur besonderen Gemeinschaft, zum Gottesdienst. Und daher kann ich als Pastor unseren Chören gar nicht genug Danke sagen. Was habe ich hier schon viel schöne Musik und bewegende Gottesdienste erleben dürfen, gerade weil wir noch Chöre haben. Von meinem damaligen Gemeindemitglied bin ich bis heute noch entsetzt. Was ist das für eine Denke. Hat man in unserer Kirche nur ein Bestandsrecht, wenn man jung ist und Spitzenleistungen vollbringt, oder ist nicht gerade die Kirche der Ort, wo es anders zugehen soll. Wo Alter, Herkunft und Ansehen nicht die Hauptrolle spielen, sondern Gemeinschaft, Liebe und Gottesdienst? Ich denke, so ist es. Und ich ermutige unsere Chöre weiter zu singen. Weiter dran zu bleiben an ihrem guten Werk und ich bin sicher, es wird immer wieder Menschen zu den Chören hinziehen, weil sie erkennen, wie gut es ist, seine knappe Freizeit in etwas sinnvolles wie Chormusik zu investieren.
In den nächsten Tagen und Wochen werden quer durch unsere Pfarrei, aber auch im Bistum die Cäcilienmessen gefeiert. Auch wieder ein Kulturgut. Traditionsgemäß wird diese Messe vom ortsansässigen Kirchenchor musikalisch gestaltet und im Anschluss der gemütliche Teil der Feier in einem Lokal verbracht. Grund genug, mal darüber nachzudenken, was es mit der Heiligen Cäcilia auf sich hat und wie es dazu kam, dass sie die Schutzpatronin und Namensgeberin so vieler Chöre ist.
Die Heilige Cäcilia soll eine Jungfrau gewesen sein, die im 3. Jahrhundert in Rom gelebt hat. Sie soll ihre Jungfräulichkeit Jesus Christus versprochen haben, wurde aber von ihren Eltern mit Valerianus verheiratet. Und dieser Valerianus war auch noch ein Heide. Was für eine Herausforderung für die gute Cäcilia. Die Legende sagt, dass Cäcilia mit ihrem Valerianus eine Josefsehe geführt haben soll, das heißt, dass die beiden zwar zusammen waren, die eheliche Gemeinschaft aber körperlich nicht vollzogen wurde. Ihrer Glaubenskraft war es zu verdanken, dass sie ihren Valerianus und ihren Schwager zum Christentum bekehren konnte. Im Rom der damaligen Zeit gab es viele Hinrichtungen, auch von Christen, die nur aus diesem Grund hingerichtet worden waren. Es war verboten, die Leichen dieser ermordeten zu begraben. Hier engagierte sich Cäcilia zusammen mit ihrem Mann und ihrem Schwager. Sie sorgten für ordentliche Begräbnisse der hingerichteten Christen. Dieses Engagement musste über kurz oder lang zu Konflikten mit der weltlichen Macht führen und sie wurde gefangen genommen und schließlich selbst hingerichtet.
Bis hierher könnte man sagen, gut Geschichte, aber wie kommt eine solche Heilige zu unseren Chören?
Hier müssen wir in eine Märtyrererzählung aus dem 5. oder 6. Jahrhundert schauen. Dort heißt es in schönem Latein: „Venit dies in quo thalamus collocatus est et cantantibus organis illa in corde suo soli Domino decantabat dicens: Fiat cor meum et Corpus meum immaculatum, ut non confundar."
Das heißt übersetzt: „Es kam der Tag, auf den die Hochzeit festgesetzt war, und während die Instrumente spielten, sang sie in ihrem Herzen dem Herrn allein mit den Worten: Mögen mein Herz und mein Leib unbefleckt sein, damit ich nicht verderbe.“
Aha, klingt interessant. Aller Musik einer Hochzeit, allem Lärm der Feier, stellt die Heilige Cäcilia das Innere Gebet gegenüber.
Und nun geschieht in der Geschichte etwas, dass gar nicht so selten ist. Aus dem oben gelesen wird die Antiphon des Stundengebetes und dabei kommt es zu einer verhängnisvollen Verkürzung.
Dort heißt es: „Cantantibus organis Caecilia Domino decantabat dicens: Fiat cor meum immaculatum, ut non confundar.“ Übersetzt heisst das: „Zum Spiel der Instrumente sang Cäcilia dem Herrn mit den Worten: Möge mein Herz unbefleckt sein, damit ich nicht verderbe.“
So wurde Cäcilia zur Musikantin und wird daher häufig mit einem Musikinstrument dargestellt. Ab dem 14. Jahrhundert sogar mit einer Orgel, die es so im 3. Jahrhundert noch gar nicht gegeben hat.
Ein kleines Missverständnis hat uns also die wunderbaren Cäcilienchöre und die Cäcilienmessen und die Cäcilienfeiern beschert, für den ich heute noch dankbar bin. Und ich denke, auch die Heilige Cäcilia wird sich darob nicht ärgern, sondern viel mehr mit Wohlwollen und einem freudigen Lächeln auf unsere Chöre blicken und dankbar sein, für all die zu Herzen gehenden Momente, für Gänsehautmomente im Gottesdienst dank der Sangeskünste unserer Sängerinnen und Sänger.
Macht weiter so, vielen Dank.
Und wer sich bisher nicht vorstellen konnte, in einem unserer Chöre mitzusingen, den bitte ich, vielleicht einmal doch ganz ernsthaft darüber nachzudenken, es lohnt sich wirklich.
Ihr
Pastor Patrik Krutten